top of page

Wenn Sie selbst einen Beitrag im Forum veröffentlichen wollen, senden Sie uns diesen bitte per Mail an office@kremser-literaturforum.at

  • AutorenbildErnst Karner

"Portrait of Orleans" - Edward Hopper, 1950 (Orleans, Cape Cod, MA), Copyright: https://en.wahooart.com
"Portrait of Orleans" - Edward Hopper, 1950 (Orleans, Cape Cod, MA), Copyright: https://en.wahooart.com

Eine typisch amerikanische

Kleinstadt

verlegt auf die Halbinsel von

Cape Cod

benannt nach Louis Philippe II

Herzog von Orléans

der die Kolonisten in ihrem

Unabhängigkeitskampf unterstützte

weil die Bürger keinen englischen

Namen für ihre Stadt wollten

eine typisch amerikanische

Kleinstadt

Telegrafenmasten

Esso-Tankstelle

damals (zu Zeiten Hoppers) wie heute

Bäume

das nahe Meer

 
Geb. 1943 in Wien. Ein Jahr Austauschschüler in den USA.

Im Rampenlicht-Verlag, Wien, zuletzt erschienen: Leerer Spiegel, Gedichte 2012, Dr. Faust stellt die Lichter an, Übers. von Gertrude Steins Dr. Faustus lights the lights 2014, Von Kontinent zu Kontinent, Gedichte und Übersetzungen 2017. Anthologie „Compartiendo“ 2020, Miami, USA, mit einigen englischsprachigen Gedichten.
  • AutorenbildSilvia Edinger

In der ältesten Eiche am Rande der Waldwiese lebte eine Eule. Sie war bei allen Tieren des Waldes beliebt, weil sie gern Rat und Hilfe gewährte. Nur nachts oder kurz vor einbrechender Dunkelheit war sie zu sehen. Ihre leuchtenden honigfarbenen Augen glühten vor Freude, wenn sie jemandem helfen konnte.


Wie alle Eulen lebte Olla allein. Sie genoss die nächtlichen Beutezüge, wenn unvorsichtige Mäuslein zu lange auf einem Platz blieben und so Raub ihrer Krallen wurde. Olla mied menschliche Behausungen mit schrillen Lichtkegeln, die ihren Augen weh taten. Eines Abends wurde sie von wundersamen Klängen fast magisch angezogen. Da saß ein Wesen mit einem runden Instrument, auf das es rhythmisch klopfte - langsam, eindringlich, sodass die Töne bis in Ollas Bauch sich wohlig ausbreiteten. Sie setzte sich auf einen nahe gelegenen Baum und genoss das sanfte Vibrieren in ihrem Inneren.


Jetzt erst bemerkte sie das flackernde Feuer und etwas Ungewöhnliches schlug sie in ihren Bann. Ein großer Falter tanzte um das Licht. Olla hatte noch nie so ein anmutiges Wesen gesehen. Zarte Flügel, elegante Bewegungen und unbeschreibliche Gefühle, die sich in Olla dem Nachtvogel ausbreiteten. Sie hatte bei ratsuchenden Tieren oft über das Gefühl der Verliebtheit gehört, jetzt hatte es sie erwischt. Mit klopfendem Herzen starrte die Eule auf den schimmernden Lichttänzer.


Fast übersah sie den aufsteigenden Morgen, bevor sie sich eilig nach Hause aufmachte. Der neue Tag war für sie voll Grübelei über ihre Gefühle. Könnte dieser Falter gefallen an ihr finden? Sie, mit dem schweren Körperbau und den großen kräftigen Krallen? Über all den Gedanken schlief sie ein.


Als die Nacht über den Wald hereinbrach machte sie sich gleich auf den Weg um ihren Lichttänzer wieder zu finden. Die Trommel half ihr den Platz zu finden und bald konnte sie wieder den Tanz um das flackernde Licht des Feuers bewundern. Gebannt beobachtete Olla ihren fragilen Faltertänzer, doch sie traute sich nicht näher, schon wegen der Hitze des Feuers. Ihr Herz tat weh, wenn sie sich auf den Weg zurück in ihre Höhle machte, denn sie wusste um die Ausweglosigkeit dieser Liebe - Licht und Feuer waren nicht ihr Lebensraum.


Olla zählte die Nächte nicht, an denen sie dem Klang der Trommel zum Tanz des Falters folgte. Als der Herbst mit seinen Farben ein buntes Kleid über den Wald zog war es vorbei mit den nächtlichen Ausflügen. Die Trommel war verstummt und Olla blieben nur die Träume von einem unerreichbaren Freund…

 
40 Jahre Lehrtätigkeit, seit 2010 freiberufliche Tätigkeit mit Atelier und Malschule. Verbindung zu Krems durch die Herkunftsfamilie und autobiografisches Schreiben.
"Ich möchte schreibend mein Leben nach rückwärts verstehen und vorwärts leben."
  • AutorenbildMaria Schiffinger


Ich lebe in einem Glasgeschäft. Das bedeutet, dass ich nicht nur dort arbeite, sondern dass ich mich davor hüten muss, dass mich der Gedanke daran nicht zur Gänze ausfüllt. In der Wohnung über dem Glasgeschäft bin ich geboren, mit dem Geruch der Holzwolle, in der die Glastafeln verpackt, angeliefert wurden, bin ich aufgewachsen. Immer war das Geschäft wie ein Glasofen, der die zentrale Mitte der Familie einnahm und mit dem man wie mit glühenden und wärmend pulsierenden Glasfäden verbunden war, auch wenn man sich weit weg befand. Das andere Wesen des Glases lernte ich kennen, als mich das Glas wie eine Wand einfing, als auf der anderen Seite der großen gläsernen Auslagenscheiben das Leben vorbeizuziehen schien.


Doch ich möchte eigentlich von einer Eigenschaft berichten, die uns allen, die wir in diesem Glasgeschäft arbeiten, eigen ist. Fast alles, was sich in dem Geschäft befindet, was „herumsteht“, im Licht glänzt, sich kühl angreift und glatt ist, ist zerbrechlich. Es ist damit dem Augenblick ausgeliefert. Wie schnell hat es eine unbedachte Hand umgestoßen. Unser Geschäft ist vollgefüllt mit Waren, die zerbrechen können. Und so kommt es, dass des Öfteren gefragt wird: Da geht wohl viel kaputt, da zerbricht doch viel? Lächelnd wehren wir ab oder wir nicken, weil wir es den anderen recht machten wollen. Nur im Scherz verraten wir unser Geheimnis, das, weil es dann offen liegt und so unwahrscheinlich klingt, ebenso wenig geglaubt wird, als wenn wir es verheimlichen: Wir zerbrechen nichts. Der glatte Scherben des Porzellantellers, die poröse Oberfläche des Keramikbruchstücks, der gesplitterte Stil eines Weinglases – das alles befindet sich in den Händen der Kunden. Sie tragen uns die Bruchstücke zu, hilfesuchend, das fehlende Stücke zum Porzellanservice verlangend, darauf hoffend, dass der Fehler ungeschehen gemacht wird. Könnten wir dann diese Hilfe geben, wenn auch wir unachtsam sind? Wird etwas Neues gekauft, stellen wir die Mustergläser auf das Verkaufspult. Starr und steif scheinen sie dazustehen, die Menschen schon von vornherein einschüchternd. Dann ist es dann unsere Aufgabe, ihnen die Angst vor diesen zerbrechlichen Gegenständen zu nehmen. Wie können sich die Gläser wiegen wie durchsichtige Tulpen, schon bereit Wein und gute Worte aufzunehmen. Wie vibrieren die Kelche, wenn man sie aneinanderschlägt und sie dann ans Ohr hält. Es ist wie ein Summen und Singen, zitternd und zugleich zutraulich in ihrer unmerklichen Elastizität. Würde man uns glauben, wenn wir da etwas zerbrächen? Wenn man da stünde, mit dem starren Bruchstück, das nun verstummt ist, nur mehr ein Scherben, könnte man den Ansprüchen genügen, die die heile Welt fordert? Könnten wir dann von etwas behaupten, dass es das immer geben wird?


Obwohl wir mit unserer Eigenschaft etwas Nützliches tun, reden wir nicht gerne von ihr. Nur selten verrät uns ein Blick, den wir sogleich durch Taten abschwächen. Ich weiß nicht, was jetzt geschieht, da dies einmal ausgesprochen wird. Aber ich hoffe doch, dass sich die Magie gegen ein paar kümmerlich niedergeschriebene Worte durchsetzen kann. Außerdem ist etwas passiert, das diese Eigenschaft in einem für mich anderen Licht erscheinen lässt. Ja, ich weiß nicht, ob ich sie überhaupt noch für mich in Anspruch nehmen kann. Als ich diese Glastafel zerbrochen habe, geschah dies nicht mit Absicht. Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zur Ansicht, dass ein unbestimmtes Wollen dahinter gestanden war. Hätte ich nicht wissen müssen, dass die Tafel zu rutschen beginnt, wenn man die Unterkonstruktion bewegt. Warum habe ich sie nicht vorher weggehoben? Warum habe ich sie nicht gesichert, warum nicht beiseite gestellt? Mit Schreck und doch einer gewissen Faszination habe ich zugesehen, wie die Glastafel zu rutschen begann, wie sie ein letztes Mal aufgeglänzt hat, wie schön poliert die Kanten, blitzschnell dazu der Gedanke, in Kürze bereits Erinnerung, an die vielen Vasen und Teller die sie getragen hat, wie sie dann langsam und wie sie, diesen letzten Gang auskostend, von nicht sehr hoher Distanz auf den Boden der Auslage fiel und dort in mehrere Stücke zerbrach. Die erste Reaktion war aber nicht „Scham und Schande“ gewesen, wie ich zu glauben meinte, sondern Genugtuung, ja fast verspürte ich eine heimliche Freude. Es war als wenn es einem gelungen wäre, eine Form zu zerbrechen, um an den Inhalt heranzukommen. Die Bruchstücke glänzten an ihren Kanten in einer flaschengrünen, muschelförmigen Schönheit, die an Meerwasser und dessen Bewegung erinnerte.


Seitdem kommt als mir vor als wären die großen Auslagenscheiben, mit der die Vorderfront des Geschäftes verglast ist, durchlässig geworden, ja manchmal meint man sogar sie wären gar nicht mehr vorhanden. An manchen Tagen aber gehe ich in die an das Geschäft angrenzende Glaserei. Dort werden aus den Holzfenstern die beschädigten Fenstertafeln ausgeglast, der alte Kitt ausgehauen und neue Tafeln in frischen Kitt gelegt. Da werden dann die Glas- und Spiegelreste in einen großen eisernen Abfallkübel geworfen, wo sie mit einem lauten Geräusch, einem plötzlichen klirrenden Knall, der aus der Berührung des spröden Glases mit dem harten Stahl resultiert, in tausend Stücke zersplittern.

 
Maria Schiffinger
Maria Schiffinger begann mit 29 Jahren literarisch zu schreiben und schloss sich Gleichgesinnten im Literarischen Kreis Traismauer an. Seit 1997 ist sie Obfrau des Kremser Literaturforum.

Ihre Gedichte und lebensgeschichtlichen Aufzeichnungen wurden in zahlreichen Büchern und Anthologien veröffentlicht.

bottom of page