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  • AutorenbildSilvia Edinger

Eine Eulengeschichte


In der ältesten Eiche am Rande der Waldwiese lebte eine Eule. Sie war bei allen Tieren des Waldes beliebt, weil sie gern Rat und Hilfe gewährte. Nur nachts oder kurz vor einbrechender Dunkelheit war sie zu sehen. Ihre leuchtenden honigfarbenen Augen glühten vor Freude, wenn sie jemandem helfen konnte.


Wie alle Eulen lebte Olla allein. Sie genoss die nächtlichen Beutezüge, wenn unvorsichtige Mäuslein zu lange auf einem Platz blieben und so Raub ihrer Krallen wurde. Olla mied menschliche Behausungen mit schrillen Lichtkegeln, die ihren Augen weh taten. Eines Abends wurde sie von wundersamen Klängen fast magisch angezogen. Da saß ein Wesen mit einem runden Instrument, auf das es rhythmisch klopfte - langsam, eindringlich, sodass die Töne bis in Ollas Bauch sich wohlig ausbreiteten. Sie setzte sich auf einen nahe gelegenen Baum und genoss das sanfte Vibrieren in ihrem Inneren.


Jetzt erst bemerkte sie das flackernde Feuer und etwas Ungewöhnliches schlug sie in ihren Bann. Ein großer Falter tanzte um das Licht. Olla hatte noch nie so ein anmutiges Wesen gesehen. Zarte Flügel, elegante Bewegungen und unbeschreibliche Gefühle, die sich in Olla dem Nachtvogel ausbreiteten. Sie hatte bei ratsuchenden Tieren oft über das Gefühl der Verliebtheit gehört, jetzt hatte es sie erwischt. Mit klopfendem Herzen starrte die Eule auf den schimmernden Lichttänzer.


Fast übersah sie den aufsteigenden Morgen, bevor sie sich eilig nach Hause aufmachte. Der neue Tag war für sie voll Grübelei über ihre Gefühle. Könnte dieser Falter gefallen an ihr finden? Sie, mit dem schweren Körperbau und den großen kräftigen Krallen? Über all den Gedanken schlief sie ein.


Als die Nacht über den Wald hereinbrach machte sie sich gleich auf den Weg um ihren Lichttänzer wieder zu finden. Die Trommel half ihr den Platz zu finden und bald konnte sie wieder den Tanz um das flackernde Licht des Feuers bewundern. Gebannt beobachtete Olla ihren fragilen Faltertänzer, doch sie traute sich nicht näher, schon wegen der Hitze des Feuers. Ihr Herz tat weh, wenn sie sich auf den Weg zurück in ihre Höhle machte, denn sie wusste um die Ausweglosigkeit dieser Liebe - Licht und Feuer waren nicht ihr Lebensraum.


Olla zählte die Nächte nicht, an denen sie dem Klang der Trommel zum Tanz des Falters folgte. Als der Herbst mit seinen Farben ein buntes Kleid über den Wald zog war es vorbei mit den nächtlichen Ausflügen. Die Trommel war verstummt und Olla blieben nur die Träume von einem unerreichbaren Freund…

 
40 Jahre Lehrtätigkeit, seit 2010 freiberufliche Tätigkeit mit Atelier und Malschule. Verbindung zu Krems durch die Herkunftsfamilie und autobiografisches Schreiben.
"Ich möchte schreibend mein Leben nach rückwärts verstehen und vorwärts leben."

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