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AutorenbildMaria Schiffinger

Selbst wenn man das Haus

kehrt mit lauten Worten,

bleibt Unausgesprochenes in den Ecken

liegen,

verkrustet sich,

zerreißt das Herz.


Wie tief ist er, der Sumpf

unter dem Schweigen,

Faulschlamm,

aus dem indes die schönsten Gedichte

wachsen,

Seerosen aus Worten.

Über die Autorin



AutorenbildMichael Klaus Miller

Die Sonne, ein Weg,

Büsche, die stechen können,

Duft ausströmenden Harzes,

aufgenommen von der trockenen Luft.


Spiel mit der Sonne, ein Tanz,

Unregelmäßigkeit, die seine Form wird,

Esel, den sein Körper hindert,

das Lachen der Sonne zu erwidern.

Über den Autor



AutorenbildSilvia Edinger

Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, dass heuer ein Brief von ihr kommen würde. Immerhin hatte sie im November den siebenundneunzigsten Geburtstag gehabt. Nach dem Tod meiner Mutter hatte ich die lange Freundschaft der beiden Frauen brieflich fortgesetzt und jedes Jahr einen Bericht über die Vorkommnisse in der alten Heimat auf die ungewisse Reise geschickt, nicht wissend, ob wieder Antwort folgen würde … Meine Mutter hatte "Tante Lore", wie wir sie nannten, im Volksschulalter kennengelernt. Sie war mit ihren Eltern im Kremstal auf Sommerfrische, der Kargheit der Wienerstadt zu Kriegszeiten zu entfliehen und bei den Bauern durch Mithilfe und Essensspenden besser über die Runden zu kommen. Die beiden Mädchen freundeten sich an. Meine Mutter stand im krassen Gegensatz zu Tante Lore, sie war von schwerem Körperbau, während Lore die Figur einer Tänzerin schon in die Wiege gelegt bekam. Lore nannte meine Mutter immer liebevoll “Radieschen”. Als Lore Tänzerin an der Staatsoper wurde, riss der Kontakt trotz allem nicht ab. Briefwechsel und Besuche hielten uns immer auf dem Laufenden.

Es war ein turbulentes Leben. Während meine Mutter bürgerlich heiratete und in Krems das Leben einer Hausfrau und Mutter führte, heiratete Tante Lore einen Ungarn, von dem sie sich nach kurzer Zeit scheiden ließ. Sie lernte einen reichen Amerikaner kennen, den wir bei den raren Besuchen “Onkel Chuck” nannten. Er war Spezialist für Flughafen-Installationen und damals in Saigon stationiert. Lore unterrichtete dort Diplomatenkinder im klassischen Tanz. Ich erinnere mich an ihren Besuch bei meiner Mutter. Lore mit immer gleich gefärbten Haaren in Hennarot, ein korallenfarbiger Lippenstift, der nach jedem Essen aufgefrischt wurde. In den folgenden Jahren kam Lore nach Wien, um sich liften zu lassen. Sie vertraute der Wiener Chirurgie mehr als der in Amerika. Immer noch schlank und rank und mit glattem, fast puppenhaften Gesicht. All die Jahre konnten wir durch die ausführlichen Briefe den Lebensweg der Wahltante verfolgen. Als Onkel Chuck starb, wurde seine Asche in den Ozean gestreut und bald lernte Lore einen Witwer namens Whittaker kennen, der sie ebenso vergötterte wie Onkel Chuck zuvor. Es kamen Bilder von eleganten Partys in Clubs mit der strahlenden faltenfreien Lore darauf. Auch der letzte Ehemann ließ Lore zurück und so ab dem neunzigsten Geburtstag begann ich um die Antwortbriefe zu bangen …

„Ich bin noch immer da …”, so begann der heurige Brief, eine Seite lang, fast fehlerfrei - nur mit wenigen Ausnahmen in einer englischen Satzstellung. Sie, die fast siebzig Jahre in Amerika lebte, in ihrer Muttersprache Deutsch noch immer sattelfest. Im Schlusssatz dann der Hinweis, dass sie nicht wisse, ob sie nächstes Jahr noch schreiben könne … Ich bin wirklich beeindruckt von Tante Lore und auch dankbar, die Freundschaft meiner Mutter fortführen zu dürfen. Vielleicht kommt nächstes Jahr noch ein Brief - ich lasse es euch wissen.

Über die Autorin


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